Richtig streiten: So lösen Sie Konflikte in der Beziehung
„Du lässt alles einfach rumliegen“, „Du hilfst nie im Haushalt“, „Dich interessiert nichts, außer Fußball“: Wenn Sie diese oder ähnliche Streitthemen kennen, sind Sie nicht allein. Doch wie damit umgehen, speziell im Eifer des Gefechts? Wir geben einen Überblick über bewährte und selbstgetestete Strategien sowie neue Erkenntnisse zur Kommunikation in der Beziehung.
Die Aufreger-Themen – typische Streitthemen in der Partnerschaft
Eine Partnerschaft wächst mit den Jahren. Man kennt und versteht sich besser, wird toleranter. So die Theorie. Die Realität sieht immer häufiger auch anders aus. Zank kann es auch nach vielen Beziehungsjahren geben. Laut einer RTL-Meldung streiten 94 % aller Paare regelmäßig. Sogar vor Trennungen sind langjährige Partner nicht gefeit, wie das prominente Beispiel Lothar Späth zeigte: Der ehemalige Ministerpräsident Baden-Württembergs verließ seine Frau nach 51 Ehejahren im Alter von 76 Jahren.
Damit Harmonie die Normalität bleibt, gibt es zahlreiche Tipps von Kommunikationsexperten. Sie wissen, wie man alltägliche Konflikte meistert, ohne direkt die Reißleine zu ziehen. So kritisch wie die Phasen sind, in denen die Harmonie besonders belastet ist – der Zusammenzug, das erste Kind, der Karrieresprung, der Auszug der Kinder, der Renteneintritt – so banal sind oft die Dinge, die im Alltag zum Beziehungsknatsch führen. Unter den unzähligen Umfragen oder Einschätzungen zum Thema rangiert überall ein Konfliktherd an der Spitze: die Hausarbeit. Geldverschwendung oder sogar Eifersucht werden durch den alltäglichen Unordnungsfrust auf die hinteren Plätze verwiesen.
Die Top 10 der Streitauslöser in Partnerschaften (Umfrage unter 1.000 Leser der Zeitschrift „Funk-Uhr“):
- Ordnung bzw. Unordnung
- Mangelnde Aufmerksamkeit oder Wertschätzung
- Geldthemen: Wer bezahlt was?
- Verwandte und Verwandtenbesuche
- Fahrstil
- Kindererziehung
- Liebe, Sex und Zärtlichkeit
- Fernsehprogramm
- Umgang mit Geld
- Kleidungstil
Das bekannte Umfrageportal Statista sieht unter seinen knapp über 1.000 befragten Online-Usern ähnliche Konfliktthemen in Partnerschaften, setzt allerdings den übergeordneten Begriff „Schlechte Angewohnheiten“ auf den ersten Platz. Die hat, je nach Sichtweise, wohl jeder Partner.
Problemlos Konflikte in der Partnerschaft lösen?
Streit sorgt für Stress in einer Partnerschaft. Speziell banale Konflikte haben das Potenzial, das Beziehungsleben nachhaltig zu belasten. Kein Wunder, dass Beziehungsratgeber in den 1950ern („Das Handbuch der guten Ehe“) genauso gefragt waren wie Kommunikationstipps in sowohl seriösen Magazinen als auch Unterhaltungsblättern heute. Viele von ihnen eint, dass sie logisch klingen, in der Streitsituation selbst jedoch wohl nicht immer Anwendung finden. Auch, weil jeder Mensch im Konflikt anders agiert und vom dominanten Lautsprecher bis zum konfliktscheuen Partner verschiedene Ausprägungen in einer Partnerschaft aufeinandertreffen.
Daher geben Psychologen und Paartherapeuten heute unterschiedliche Taktiken für unterschiedliche Menschen mit auf den Weg:
Seit vielen Jahren definieren Fachleute typische Formulierungsfallen und klassische Kommunikationsfehler bei Streitigkeiten. Die kennt jeder, denn oft drehen sie sich um die Dinge, die „immer wieder“ passieren. Nur verständlich, dass die Vorwurfsintensität an den Partner hier stets zunimmt, während der Gescholtene immer mehr abblockt. Die häufigste Lösung heißt: Dinge, die stören, sollen nicht als Vorwurf vorgebracht, sondern als eigenes Gefühl artikuliert werden.
Einfach mal ruhig bleiben: Gerade bei Nichtigkeiten keine schlechte Strategie. Einer aktuellen Studie der San Francisco State University zufolge leben Ehepaare mit zunehmendem Alter glücklicher, wenn sie nicht alles ausdiskutieren, sondern häufiger tolerieren und schweigen.
Klingt nach Krawall, kann aber wie ein reinigendes Gewitter wirken: Alles raus lassen, denn wer sich ärgert, darf das gelegentlich auch zeigen. Nicht Lautstärke ist das Problem, sondern fehlender Respekt.
"In der Partnerschaft muss man sich manchmal streiten, denn dadurch erfährt man etwas mehr voneinander." (Johann Wolfgang von Goethe)
So verbessern Sie Ihre Kommunikation
Aus der Vielzahl aller Tipps sollte man diejenigen beherzigen, die auf die eigene Persönlichkeit und die das Partners passen. Auch bei mir selbst sind es oft Nichtigkeiten, die zu Konflikten führen, meist ist der Auslöser der Haushalt. Hier lege ich Wert auf eine aufgeräumte und saubere Wohnung, während meine Partnerin ihr kreatives Chaos schätzt oder die Dinge ganz anders wahrnimmt als ich. Vorwürfe sorgten für keinerlei Verbesserung, sondern nur für Frustration, sodass ich mich zu einer Kombination von zwei Taktiken entschieden habe: Ich spreche meine Wünsche ruhig an, aber versuche, auch häufiger über Unordnung hinwegzusehen. Das ist nicht immer leicht, aber es hilft. Vielleicht auch Ihnen.
5 Tipps, die meine Konfliktlösungen positiv beeinflusst haben
1. Klares und ehrliches Aussprechen von Wünschen
Wer sich öffnet und innere Gefühle nach außen legt, macht dem anderen keine Vorwürfe, sondern zeigt, was die Handlung des Partners mit einem selber macht. Das schafft im Idealfall Verständnis und den Wunsch, die Situation für den Leidtragenden zu verbessern.
2. Das Ziel im Auge behalten und nicht vom ursprünglichen Thema abweichen: Fokus auf Konfliktlösung legen
Wie schnell man von „Kannst du vielleicht deine Sachen in den Schrank räumen“ bei „ich bin dir völlig egal und du respektierst mich nicht“ angelangt ist, weiß jeder. Konstruktiv ist das nicht, sondern sorgt nur dafür, dass von konkreten Problemen auf Allgemeinplätze umgeschwenkt wird, die nicht nebenbei veränderbar sind. Lieber den meist einfachen akuten Konfliktpunkt wirklich ausdiskutieren und Lösungsansätze definieren.
3. Aussprechen lassen
Auch wenn die Emotionen hochkochen ist es unerlässlich, dem Partner Respekt entgegenzubringen. Besonders wichtig: Lassen Sie ihn oder sie ausreden und vermitteln Sie dadurch das Gefühl, dass Sie den Partner ernst nehmen. Gleichzeitig sorgt diese einfache deeskalierende Strategie dafür, dass Tempo aus der Situation genommen wird und man sich nicht gegenseitig aufwiegelt.
4. Wirklich zuhören
Durch aktives Zuhören antworten Sie konkret auf Aussagen des Partners und reagieren. Eine offene Körperhaltung, Worte des Verstehens – „aha“, „hm“ – und Zusammenfassungen („du sagst also, dass es dir besser gehen würde, wenn ich einmal am Tag kurz aufräume“) signalisieren echtes Interesse. Weiterhin formuliert nicht jeder nur Angriffe, sondern geht in der Antwort auf die Aussagen des Partners ein. Auf diese Weise brechen Sie gewohnte Handlungsmuster auf und diskutieren lösungsorientiert. Vermeiden Sie es außerdem, die Äußerungen und Reaktionen des Partners vorhersehen zu wollen. Sätze wie „Mit dir kann man eh nicht reden“ oder „du willst ja eh nichts dran ändern“ führen deutlich häufiger zu einer Trotzreaktion des Gegenübers, womit genau diese Aussagen wie eine selbsterfüllende Prophezeiung bestätigt werden.
5. Stolz ist fehl am Platze, Humor hilft
Gestehen Sie Fehler ein, entschuldigen Sie sich wo nötig, lösen Sie Situationen möglicherweise sogar mit Humor. Selbstironie kann manchmal Wunder wirken.
6 Kommunikationskiller und bessere Alternativen
Gibt es Worte und Sätze, die Sie oder Ihren Partner zuverlässig auf die Palme bringen? Vorwürfe gepaart mit Übertreibungen, immer die gleichen Verallgemeinerungen? Ist das der Fall, sollten Sie beide über die genutzten Formulierungen nachdenken, denn sie machen konstruktive Gespräche fast unmöglich. Der Gegenüber verschließt sich dabei sofort. Einige typische Formulierungsfallen sind:
- „Immer“, „nie“, „ständig“ und „jedes Mal, wenn“. Diese Phrasen schließen sowohl Zukunft, als auch Vergangenheit ein. Unterschwellig drücken Sie damit aus: „Du hast das immer gemacht, du änderst dich nicht, du wirst es immer machen…“. Ein Beispiel: „Immer lässt du deine Sachen herumliegen!“. Der einfachste Weg aus dieser Kommunikationssackgasse: Bleiben Sie bei der konkreten Situation und einer konkreten Aufforderung: „Deine Socken häufen sich neben der Dusche. Kannst du sie bitte in die Wäsche packen?“ Zugegeben: Es ist nicht immer einfach, einem Erwachsenen Anweisungen zu geben, die eher auf den Teenagersohn passen. Probieren Sie es trotzdem…
- „Du…Du…Du!“: Der Klassiker im Streit. Alle Vorwürfe gelten dem Partner, sie prasseln wie ein Feuerwerk auf Ihn ein. Damit werden sie zum Auslöser für Gegenangriffe. Meist besser: Ich-Sätze benutzen und die persönlichen Empfindungen ausdrücken. „Ich fühle mich gestresst, wenn überall Sachen rumliegen und ich das Gefühl habe, deswegen nie zur Ruhe zu kommen.“ So erkennt Ihr Partner Ihre Perspektive. Ausnahmen bestätigen die Regel: Die Kommunikationspsychologie glaubt, laut Experte Friedemann Schulz von Thun, dass eine kurze und vorübergehende Phase von Du-Botschaften, also konkret formulierten Angriffen und Vorwürfen, zwischenzeitlich auch heilsam sein kann, wenn klare Worte nötig sind und Konflikte lange vermieden wurden.
- „Du bist…“ im Gegensatz zu „Das, was du tust…“: Verallgemeinerungen machen wütend, wenn sie den Partner persönlich treffen. Auch hier gilt: Kritisieren Sie das Verhalten des Partners, aber bewerten Sie nicht seine Person oder Eigenschaften allgemein.
- „Du bist doch schuld, wenn wir uns streiten“: Vorsicht mit Vorwürfen oder Schuldzuweisungen. Der Partner sieht die Sache sicherlich anders und fühlt sich missverstanden oder verletzt. Stattdessen: Die Situation beschreiben und die eigenen Gefühle beschreiben.
- „Mir egal“: Ignorieren hilft niemandem. Anteilnahme und Verständnis für den Partner sorgen für Lösungen und bestenfalls Harmonie.
- „Lass uns das jetzt ausdiskutieren“: Nicht immer der Königsweg. Paare, die bereits lange zusammen sind, gehen Konflikten häufiger aus dem Weg. Sie lenken den Blick auf positive Dinge oder vermeiden strittige Themen, anstatt sie wiederholt und ohne Ergebnis zu diskutieren. Viele fahren sehr gut damit.
Richtig streiten bringt uns weiter
Wer Jahrzehnte nach der Heirat noch ein Paar ist, macht etwas richtig. Und das hat auch mit der Kommunikation im Streitfall zu tun. Viele Paare streiten täglich, haben aber Wege gefunden, sich damit zu arrangieren, der Partnerschaft tägliches Glück abzugewinnen und den langen Zusammenhalt zu schätzen. Sogar noch mehr: Ein Streit kann wie ein reinigendes Gewitter wirken, das kurz die Gefühle zum Kochen bringt, aber im Anschluss die positiven Emotionen verstärkt. Oder anders ausgedrückt: Die Aussprache bei oder nach einem Konflikt schafft auch Nähe und Vertrauen. Sie bestärkt uns in der Gewissheit, dass man ein Team ist und auch schwierige Situationen meistert. Selbst eine tägliche Berg- und Talfahrt ist so oft weniger ernst, als sie aussehen mag. Dazu gehört es, einfache Tipps zu beherzigen oder auch über Dinge hinwegsehen zu können. Für uns ist das Wichtigste: Auch im Streit sollte es immer nur um die Sache gehen und der Partner mit Respekt behandelt werden.
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